Susan performt für Klimaanpassung
Ein Beispiel, wie Kunst positive Visionen für das Leben unter Klimaveränderungen erschaffen kann. Erlebbar am Mittwoch, 29. Mai 2024 in Bern.
Susan Glättli arbeitete als Kommunikationsverantwortliche bei planval. Mit dem Impuls des Science-Art-Jam im Sommer 2023, bei dem planval mitwirkte, hat sie in das künstlerische Projekt «Schwammige Nischen» gewechselt und arbeitet zurzeit freiberuflich als Musikerin. Sie nimmt uns mit in die Welt der Schwämme und Klänge und erzählt, was sich aus dem Science-Art-Jam 2023 in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und dem Verein Motile entwickelt hat.
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Mein Telefon klingelt am frühen Abend. Was? Ob wir den Preis annehmen würden? Bedinge eben, dass wir das vorgestellte Projekt «Schwammige Nischen» dann tatsächlich umsetzen, sagt Olivia. Aha. Bis in wenigen Monaten? Wie und wo müssten wir gemeinsam im völlig neu zusammengewürfelten Team festlegen. Alle sind etwas überrascht von der neuen Situation. Prickelnde Möglichkeiten. Prickelnde Schwierigkeiten. Ich kenne die Leute alle gar nicht. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Sparten. Interdisziplinär-künstlerisch. Puh, soll ich auf das Blind Date mit Katze im Sack einsteigen? Plötzlich bin ich nicht mehr so entspannt, wie am Nachmittag am Science-Art Jam auf dem Nydeggplatz.
Gleissende Sommerhitze, Stühle unter dem Blätterdach der grossen Kastanien. Inhaltlich ist nur bekannt, dass sich der Design-Sprint um Klimawandel in der Stadt drehen würde. Reichlich wenig. Immerhin stehen interessante Leute auf dem Platz: Kulturschaffende, Wissenschaftlerinnen und Design-Thinking-Workshopleitende. Ich nähere mich. Dass wir in kleinen spontan entstehenden Gruppen rund zwei Stunden später umsetzbare Projekte präsentieren würden, scheint mir nicht sehr plausibel. Entsprechend entspannt bin ich dann im Ideenfindungs- und -ausarbeitungsprozess. Wir haben Modelle und Zeichnungen vor uns. Kühlung während Hitzetagen, mehr Bäume, Pflanzen und Moos, mehr Wasser zwischen oder an den Gebäuden. Mehr wasserspeichernde Böden, schwammige Nischen. Entsiegeln! Asphalt aufbrechen! Vorgärten und Fassaden begrünen. Aber wie? Hastige Diskussionen unter Zeitdruck: Geht das auf städtischem Grund, oder nur auf privatem Grund? Baumaschinen, Presslufthammer! Oder reichen Hacke und Schaufel? Und das ganze als Installation oder als Performance oder als Mitwirkungsanlass. Wie denn in so wenig Zeit? Kling – Schlusspfiff.
Doch, wir haben zugesagt, den Preis angenommen – mit all seinen Unbekannten. Vier der fünf Frauen können sich vorstellen, aus diesem kurzen Impuls etwas zu erschaffen. Der Weg zu einer Perfomance braucht nochmals einiges an Brainstorming. Kaffee, Blicke aus dem Fenster des Progr. Es ist heiss. Klar ist, dass die Performance im öffentlichen Raum stattfinden soll, auf einem Platz, der danach ruft, stellenweise entsiegelt zu werden, um angenehmer, freundlicher und weniger heiss zu werden. Klar ist auch, dass wir nicht mit dem Presslufthammer hantieren wollen. Das Stadtplanungsamt würde den Kopfstand machen. Also eher softly, den gewünschten Zustand zeigen und sinnlich erlebbar machen. Mit einfachen Mitteln. Weicher Schaumstoff, Wasser, Klang und genüssliches Gehen. Schpftsch.
Nach der ersten Besprechung beginne ich Sounds und Musik auszuprobieren. Welche Geräusche macht Schwamm? Um was geht es? Boden! Ein stummer Fisch. Begleitmusik ist langweilig – oder machen wir einen Stummfilm? Nochmals Boden. Soil. Sounds. Ja, Boden klingt. Ich erhalte nach wenigen Tagen Antwort von der Stiftung Biovision, dass ich ihre Geräuschaufnahmen von raschelnd arbeitenden Bodentieren verwenden darf. Yes, jetzt nur noch etwas Atmosphäre für die Performance. Basstöne. Woohm.
Die Proben sind angeregt, die farbigen Schaumstoffstücke aus dem Offcut – reuse - laden zum Spielen ein, beim Tragen wippen und federn die Bahnen. Play. Stop. Was wollen wir sagen? Für wen spielen wir? Werden wir verstanden mit diesem Material? Inzwischen haben wir eine Probe-Aufführung am 4. November im Innenhof der Feuerwehr Viktoria bei klirrender Kälte mit klammen Fingern durchgeführt. Kzzzing.
Jetzt ist es wieder wärmer geworden und wir dürfen die Performance erneut aufführen, diesmal vor einem Schwammstadt-Fachpublikum am 29. Mai 2024, 18.30 Uhr bei der Gärtnerei des Schosshaldenfriedhofs, Bushaltestelle Schosshaldenfriedhof. Weiteres Publikum ist willkommen. Wir freuen uns!
Schwammstadt ist ein Konzept, wie Planungsbehörden und Grundeigentümer:innen der zunehmenden Hitze in Städten entgegenwirken können. Das gesamte Regenwasser soll möglichst vor Ort im Boden versickern bzw. wie in einem Schwamm aufgefangen werden und später verdunsten können, um Kühlung zu erreichen. Auch Entsiegelung, Bepflanzung, Bäume und künstliche Regenwasserspeicher spielen eine Rolle. Diese Massnahmen wirken einerseits der Überlastung der Abwassersysteme sowie Überschwemmungen bei Starkniederschlägen entgegen. Andererseits schaffen sie ein angenehmes Klima, so dass die Städte auch im Hochsommer bewohnbar und belebt sind.