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Gekonnt moderieren.
26.06.2024 | Methoden

Gekonnt moderieren.

Ein erhellendes Gespräch von Marianne mit Moderationsprofi Tinu Niederhauser über Kärtchen schreiben, Übungen gegen Nervosität und den Powerpoint-Horror.

Kongress, Fachreferat, Workshop, Sitzungsleitung. In all unseren Projekten treten wir auf und moderieren. Oft gehören wir auch zur Zuhörerschaft. Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich sage: Wir schätzen einen Auftritt, der dich den Blick auf die Uhr vergessen lässt. 

Was macht eine Person richtig, der man einfach gerne zuhört? Das interessierte mich und so habe ich den Profi gefragt: Tinu Niederhauser. Er trainiert seit vielen Jahren Personen in ihrer Auftrittskompetenz und publizierte zusammen mit Bundeshausredaktor Urs Leuthard soeben das Buch „Strukturiert Improvisiert“. Es thematisiert die optimale Mischung aus Vorbereitung und Freiraum beim Auftritt. Dabei sei Vorbereitung und Struktur die Pflicht und Improvisation die Kür. Ein reichhaltiges Buch für den gelungenen Auftritt. Eines kann ich vorwegsagen: die Learnings aus diesem Gespräch waren zahlreich und die Antwort auf die obige Frage, was diese Person richtig mache, überraschend simpel: Sie hat Freude!

Tinu, wenn ich ein Referat halte, dann schreibe ich Kärtchen, die ich während des Redens kein einziges Mal anschaue, sie machen mich nervös – was ist falsch mit mir?

Gar nichts! Genau darum geht es. Dass du den Wechsel zum freien Reden schaffst, ist gut. Frei reden heisst auch, in den Überlegungen springen, Gedanken neu denken. Das entspricht vielmehr der organischen Struktur, wie ein Gespräch entsteht. Deshalb ist es auch angenehmer, freien Rednerinnen und Rednern zuzuhören. Ich persönlich schreibe keine Kärtchen, sondern Mindmaps. Also eine stichwortartige Sammlung von Gedankenstützen. Der Mix aus Vorbereitung und anschliessend freiem Reden ist sehr individuell. Aber ich empfehle allen, frei zu reden. 

Ist dies denn etwas, das alle können – oder lernen können? 

Ich glaube, es ist wie beim Skifahren. Alle können es lernen. Alle können frei reden. Aber alle haben auch ein unterschiedliches Startkapital. Manche entwickeln ein Talent, manche weniger. Auch bei Profis gibt es grosse Unterschiede. Urs Leuthard ging zu Beginn seiner Zeit als Moderator in der Arena viel zu strukturiert vor, im Buch erzählt er ja davon. Andere improvisieren zu stark, verlieren sich. Die meisten müssen an sich arbeiten und ihre Stärken ausbauen. 

Hast du ein paar Tipps, um mit der Nervosität umzugehen? Manchmal moderieren wir Kongresse und Podien mit 150 Personen, da flattern schon kurz die Nerven.

Nervosität ist Gratis-Energie. Die sollte man dankbar annehmen. Eine Situation wie von dir beschrieben, bewältigt man nur mit Nervosität. Das System muss hochfahren. Vor allem sollte man die Nervosität akzeptieren. Was hilft sind Atemübungen, mit dem Fokus auf dem Ausatmen, um die Energie rauszulassen. Im Dreieck zu atmen (gleichlang einatmen, ausatmen, Atempause) reguliert den Atemfluss und bringt Ruhe. Es gibt weitere Tricks wie Druckpunkte am Handgelenk zur mentalen Verankerung eines Bildes oder einer konkreten Situation. Besonders hilfreich ist auch die Konzentration auf Glaubenssätze. Zum Beispiel: Ich kann das, ich erlaube mir das, ich erlaube mir auch eine Fehlertoleranz. Auch die Visualisierung von persönlichen Orten der Ruhe helfen, Überspannungen abzubauen.

Der Einstieg in einen Auftritt muss gelingen, schreibt ihr. Wie mache ich das, sollte der Einstieg humorvoll sein?

Nun ja, Humor lässt sich nicht planen. Aber man kann sich an dem erfreuen, was gerade passiert. Ich erinnere mich: bei einer Fragesequenz innerhalb einer Moderation, bei der es darum ging, rasch zu antworten, zögerte eine Zivilstandesbeamtin bei der Frage, ob sie das Heiraten eine gute Idee finde, die entscheidende Sekunde zu lange. Das hatte alles gesagt. In dem Sinne gibt es schon den sogenannten geplanten Zufall. Wenn die Vorbereitung auf die Gelegenheit trifft, entsteht geglückte Kommunikation. Wir schreiben im Buch vom kommunikativen Flow. Wenn wir es schaffen, uns für unser Publikum zu öffnen, dann kann eine Beziehung entstehen, die zu beglückenden Situationen führt. Ein Dialog, in dem keine Anstrengung mehr notwendig ist. 

…das versuche ich beim Einstieg?

Beim Einstieg kann der Dialog bereits gestartet werden. Grundsätzlich, der Einstieg sollte gut vorbereitet sein. Hier setzt man das Tempo und etabliert eine positive Energie. Steige direkt ein, mit der entscheidenden Frage, einem persönlichen Erlebnis, einem Bild. Sei überraschend! Beginne mit etwas Aktuellem, das zum Zielpublikum passt. 

Wir moderieren oft Design-Thinking Workshops oder Co-Creation Events. Da ist per se ein hohes Mass an Improvisation gefragt und es gehört die Herausforderung dazu, dass am Ende etwas Handfestes dabei rauskommt. Hast du eine Empfehlung für Moderationen dieser Art?

Hören, sehen, selber tun – mit letzterem nehmen die Leute am meisten mit nach Hause. Von dem her sind Workshops dieser Art wertvoll. Da kann man gegen Ende charmant rüberbringen, dass man nun die Spassbremse spielen muss. Schliesslich müssen wir wieder auf dem Boden der Realität landen und auf die konkreten Fragestellungen zurückkommen. Was nimmt man vom Kreativteil mit und wie kann das nun übersetzt werden in die Realität. So lassen sich auch die Erwartungen der Leute klären. 

In den Multistakeholder-Prozessen, die wir oft moderieren, müssen wir Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen auf ein gemeinsames Ziel einspuren. Da sitzt die Landwirtin neben dem Jugendlichen neben dem Gemeindepräsidenten, vielfach ungefähr 30-50 Personen. Hast du einen Tipp, wie man solch diverse Gruppen ins Rollen bringt?

In einer solchen Gruppe muss man die Erwartungen runterschrauben, dass da im ersten Plenum schon ein Austausch entsteht. Ich würde auf Methoden mit Kleingruppen setzen. Das Modell, wie wir es aus der SRF-Sendung Arena kennen, eignet sich gut für viele Leute mit unterschiedlichen Meinungen. Das World Café kennt ihr sicher bereits.

Ja, dann sind wir da sehr gut unterwegs. Nun eine simple Frage, aber ernst gemeint: Wie viel Text gehört eigentlich auf Folien?

Zum Glück stellst du diese Frage! Es braucht nur zwei Dinge: Den Aussagewunsch, also einen Satz, und ein Bild! Bulletpoints sind schrecklich. Natürlich braucht es manchmal Inhalt, aber grundsätzlich ist eine Präsentation eine Erzählung und keine Informationsvermittlung. Ein guter Redner, eine gute Rednerin, braucht keine Folien. Die Leute sind leider zu faul, zwei Produkte zu erstellen. Eine Präsentation und ein Handout mit den Informationen. Der absolute Horror sind verschickte Informations-Folien. Meistens kann man für die gelungene Präsentation seine erste Version zweimal halbieren: den Inhalt und die Anzahl Folien. Dann kommts gut. 

Was sind aus deiner Sicht die Kernelemente, dass man nach einem Anlass nach Hause geht und daheim erzählen wird, dass man eine gute Moderatorin, einen guten Moderator erlebt hat?

Da stand jemand vorne, der Freude und Motivation an der Sache hat. Moderieren und Auftreten ist ein Energiebusiness. Es braucht Lust, Spass, Leidenschaft, Engagement und Optimismus. Dann ist schon vieles sehr gut!

Tinu Niederhauser, Schauspieler und Auftrittscoach. Tinu ist ein erfahrener Kommunikations- und Medientrainer mit eigener Firma in Lenzburg. Er coacht, trainiert und berät exponierte Persönlichkeiten bei wichtigen Auftritten und Führungsfragen. Tinu ist Dozent für Auftritts- und Gesprächskompetenz an verschiedenen Fachhochschulen und am MAZ.

Zusammen mit dem bekannten Schweizer Polit-Journalisten Urs Leuthard publizierte er 2024 das Buch „Strukturiert Improvisiert“. Urs Leuthard leitet die SRF-Bundeshausredaktion. Er hat hunderte von Sendungen, Interviews und Live-Veranstaltungen geführt und moderiert. 

Kommunikation ist das wichtigste Bindeglied zwischen uns Menschen.

Möchten Sie mehr erfahren oder steht bei Ihnen eine ähnliche Aufgabe an? Lassen Sie uns darüber reden.

Marianne Suppiger

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