In seiner berufsbegleitenden Masterarbeit stellte Thomas Probst von PLANVAL fest, dass es den Akteuren in den Regionen an Kompetenzen zum Innovieren fehlt. An der Tagung «Innovation in der Regionalentwicklung» am 20. April 2018 in Bern zeigten PLANVAL und die Berner Fachhochschule neue Methoden und Werkzeuge, um Ideen und Lösungen für die Zukunft zu generieren. Die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten selbst aktiv werden und den Ansatz «Design Thinking» testen.
Von der Masterarbeit zum Innovationsevent
Zu den Erfolgsfaktoren einer nachhaltigen Regionalentwicklung zählen unter anderem Veränderungs- und Risikobereitschaft sowie Innovationsfähigkeit. Die Innovationskompetenzen sind in den Regionen aber schwach ausgeprägt. Zu diesem Ergebnis kam Thomas Probst von PLANVAL in seiner Masterarbeit an der Berner Fachhochschule (BFH), die drei etablierte Regionen in der Schweiz, Österreich und Deutschland verglich*. Selbst erfahrene Regionalmanagerinnen und -manager gaben an, dass sie kaum geeignete Methoden und Formate für das Innovationsmanagement kennen. Entsprechend deutlich wurde der Wunsch nach Massnahmen zur Befähigung der Stakeholder in den Regionen.
Vor diesem Hintergrund organisierte und moderierte PLANVAL zusammen mit der BFH die Veranstaltung «Innovation in der Regionalentwicklung: Methoden, Beispiele und Ideen für die Zukunft». Am 20. April 2018 kamen über 30 motivierte Personen in Bern zusammen, um sich über neue Methoden zu informieren und diese selbst auszuprobieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die aus dem Umfeld der beiden Veranstalter stammen, bildeten die komplexe Akteurslandschaft in der Regionalentwicklung gut ab. Vertreten waren sowohl die unterschiedlichen geographischen Ebenen von der Gemeinde und Stadt über Regionen und Kantone bis hin zur Bundesebene als auch verschiedene Handlungsfelder wie Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft, Umwelt, Energie und Raumplanung.
Im Mittelpunkt stand der Innovationsansatz «Design Thinking». Dabei handelt es sich um einen mehrstufigen Iterationsprozess, der auf die Bedürfnisse von Kunden oder Nutzern ausgerichtet ist. Nach dem Fokussieren auf die zentralen Anliegen werden in kurzer Zeit viele Ideen entwickelt und einfache Prototypen erstellt. Direktes Testen mit den Nutzern zeigt den Anpassungsbedarf auf – oder führt zum Verwerfen der Ideen. Am Ende sollen nützliche, realisierbare und nachhaltige Lösungen stehen. PLANVAL setzt Design Thinking in verschiedenen Projekten ein, aktuell zum Beispiel in «Plaffeien 23 – As Zentrum für alli»: zur Belebung des Dorfzentrums will die Gemeinde im Sense-Oberland (FR) zusammen mit der Bevölkerung konkrete Massnahmen erarbeiten.
Innovation in der Regionalentwicklung – mit Design Thinking?
Andreas Ninck von der BFH stellte Design Thinking in einem Impulsvortrag vor. «Eine ‘coole’ Idee reicht nicht.» Zentral ist vielmehr, dass eine Idee zur Lösung eines relevanten Problems beiträgt. Die Bedürfnisse der Zielgruppen sind dabei essenziell. Nur durch den persönlichen Kontakt mit den Betroffenen lässt sich herausfinden, was die Menschen bewegt und was sie wirklich brauchen. Basierend auf diesen Erkenntnissen können passende Ideen zu Prototypen weiterentwickelt und nach allenfalls mehrfacher Iteration später realisiert werden.
Am Nachmittag konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Design Thinking ausprobieren und selbst Hand anlegen. Für eine mit vielen Problemen konfrontierte fiktive Region galt es, neue Perspektiven und konkrete Massnahmen zu entwickeln. Sechs Kleingruppen durchliefen einen 90-minütigen Crash-Kurs «on the case». Andreas Ninck und Thomas Probst führten durch diesen interaktiven Teil mit sechs Phasen: Verstehen, Beobachten, Fokussieren, Ideensammlung, Prototyping und Testen. Auf dem Weg zu den kreativen Vorschlägen wurde nicht nur leidenschaftlich diskutiert, sondern vor allem auch gegenständlich gearbeitet. Mit Figuren, Knete, Holzteilen, Draht, Glaskugeln und vielem mehr stellten die Gruppen die Situation und die Stakeholder in der Region dar, diskutieren Optionen für deren Zukunft und bastelten zahlreiche Prototypen.
Die anschliessende gemeinsame Reflexion machte deutlich, dass Design Thinking viel Potenzial für mehr Innovation in der Entwicklung von Gemeinden, Städten und Regionen birgt. Die intensive Kommunikation und Auseinandersetzung mit greifbaren Gegenständen führt schnell zu einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Sprache, auch in heterogen besetzten Gruppen. Kommunikation, Kollaboration und Kreativität bieten viel Spielraum, um Unsicherheiten aufzufangen, Gruppendynamik zu entwickeln und neue Pfade zu beschreiten. Diese Denkhaltung des Design Thinking erscheint daher sehr geeignet, um altbekannte Problemstellungen in Regionen neu anzupacken – aber auch, um sich mit eher unscharfen oder zukünftigen Herausforderungen zu beschäftigen.
Praxisbeispiele aus der Schweiz, Österreich und Deutschland
Einige Regionen sind bereits sehr innovativ unterwegs. Praktiker aus den deutschsprachigen Ländern präsentierten eindrückliche Umsetzungsbeispiele. Hubert Preisinger von Leap Forward leitet in Oberösterreich das Projekt «Nature of Innovation». Dort arbeiten vier Regionen um die Stadt Steyr in einem vierjährigen Design Thinking-Prozess zusammen, um konkrete, innovative Ideen umzusetzen. Preisingers Erfolgsrezept: «Wir kochen nicht im eigenen Saft.» Die Kooperation mit verschiedenen und auch externen Stakeholdern sei extrem wichtig, um Neues zu ermöglichen.
Dem schloss sich Wolfgang Wackerl vom deutschen Büro für Stadtplanung und strategische Projektentwicklung an, das regionale Innovationsvorhaben in Nordrhein-Westfalen konzipiert und begleitet. Er ergänzte: «Man muss auch dort Projekte machen, wo man sie nicht erwarten würde.» Als konkretes Beispiel führt er eine Mülldeponie an, die zu einem Kompetenzzentrum für Abfall umfunktioniert wurde – begehbarer Müllberg inklusive.
«Ideen haben wir genug – aber man muss einfach mal machen» – dies war eine der Kernaussagen, die Peter Binz, Gemeindepräsident von Medel/Lucmagn (GR), in seinem Beispiel Val Medel ausführte. Dort wurde 2014 der Verein «la caura» gegründet, der sich für die Geisswirtschaft in der Region einsetzt und z.B. die Vermarktung von lokalen Geissprodukten unterstützt. Ausschlaggebend für solche Projekte seien motivierte und engagierte Menschen, die es wagen, auf die Ideen dann auch tatsächlich Taten folgen zu lassen.
Sie haben Fragen zu Design Thinking oder Innovation in der Regional-, Stadt- und Gemeindeentwicklung? Kontaktieren Sie uns!
* Probst, T. (2017): Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Entwicklung von Regionen im ländlichen Raum. Eine akteurszentrierte Untersuchung von etablierten Regionen in der Schweiz, Österreich und Deutschland vor dem Hintergrund staatlicher Förderprogramme. (Publikation in Vorbereitung)
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